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Eingeladen zum Fest des Glaubens. Ansprache zu Johannes 20.19-20.24-29 aus dem Einführungsgottesdienst am 07. April 2024 in Hardegsen (Anne Dill)

Tue, 09 Apr 2024 11:37:00 +0000 von Anne Dill

Gott schenke uns ein Herz für sein Wort und ein Wort für unser Herz. Amen.
 
I.
Wann haben Sie zum ersten Mal von Jesus Christus gehört?
Wie seid ihr mit dem Glauben in Kontakt gekommen?
Wer hat Ihnen und euch von Gott erzählt? 
 
Bei mir war es meine Oma. Immer wenn wir Kinder bei ihr übernachtet haben, dann hat sie sich mit einem Stuhl zwischen die Betten gesetzt. Hat vorgelesen. Bevor aber das Licht ausgemacht wurde, hat sie ein Abendgebet mit uns gesprochen. Manchmal das Vaterunser. Das gehört ganz selbstverständlich dazu. Wir Kinder waren neugierig. Eines Abends haben wir sie nach dem anderen langen Text im Gottesdienst gefragt. Sie hat uns auch das Glaubensbekenntnis vorgesprochen. Das war dann aber doch zu schwer für unsere Kinderherzen. Aber die Ernsthaftigkeit und die Wahrhaftigkeit, mit der sie diese Worte gesprochen hat, sind doch rübergekommen.
 
II.
Eben haben wir von Thomas gehört. Eigentlich ist er ein sehr ernsthafter und überzeugter Jünger. Mehrere Jahre lang ist er mit Jesus unterwegs gewesen. Er weiß: Bei Jesus ist mein Heil. Und er versucht auch andere in seine tiefe Überzeugung mit hineinzunehmen. Einmal sagt er sogar: „Lasst uns mit Jesus Christus gehen, um mit ihm zu sterben.“ Treuer geht es wohl nicht. Da ist ein tiefgläubiger Mensch.
Aber Thomas hat – wenn man es denn so nennen will – ein Problem. Er versteht nicht immer, was Jesus tut. Oder was dieses oder jenes soll. Als Jesus ankündigt, dass er fortgehen wird, da muss Thomas es ganz genau wissen: „Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie können wir dann den Weg kennen?“
Und dann – als Jesus am Kreuz gestorben ist – da wird es plötzlich schwierig mit seinem Glauben. Zu groß der Schock. Die Trauer. Das Entsetzen. Sein ganzer Lebensplan zusammengebrochen.
 
Nun ist es umgekehrt. Die anderen erzählen ihm: Jesus war da. Hier mitten unter uns. Er ist nicht tot. Er lebt! 
 
Thomas kann das nicht glauben. Wie denn auch? Er hat einen entscheidenden Nachteil. Er war nicht dabei. Hat Jesus nicht mit eigenen Augen gesehen, seine Stimme nicht gehört. 
 
Vielleicht konnte er vor lauter Trauer die Nähe der anderen nicht ertragen. Wollte alleine sein. Brauchte Ruhe oder Abgeschiedenheit. Musste schlafen, weil er die Nächte davor schlaflos verbracht hat. Vielleicht war er Besorgungen machen. Es gibt viele Möglichkeiten, warum man zur rechten Zeit nicht am rechten Ort ist. 
Jedenfalls ist er nicht da, als Jesus kommt. Und so kommen die Zweifel.
 
III.
Ja, die Zweifel. Die kommen manchmal schnell, auch dann, wenn wir uns mit Gott ganz sicher sind. Und wenn sie erstmal da sind, dann schleichen sie sich ins Herz. Es gibt Zeiten, wo es schwierig ist mit dem Glauben. Wo ich nicht glauben kann, dass da einer ist, der es unendlich gut mit mir meint und mit der ganzen Welt. Wo ich Gottes Nähe nicht spüre. Wo ich ihn nicht verstehe. Nicht weiß, was dieses oder jenes soll. Nicht sehen kann, woran ich glauben soll.
 
Dann, wenn mir ein Herzenswunsch versagt bleibt. Wenn ein Gebet nicht erhört wird. Wenn die Weltlage Grund zum Gruseln bietet. Wenn Kummer mein Herz zerfrisst. Wenn eine Krankheit mich niederwirft. Dann scheint Gott zuweilen sehr weit weg.
 
IV.
Was man dann wirklich nicht braucht, sind Vorwürfe oder Vorhaltungen, so nach dem Motto: Reiß dich mal zusammen! Glaub mal an das Gute im Leben! Du hast sonst doch alles. Du musst mehr beten! Du musst halt glauben. 
 
Vielleicht gut gemeint.
Hilft aber ganz bestimmt nicht!
 
Jesus weiß das. Er macht Thomas keine Vorwürfe. Nicht mal Vorhaltungen. Thomas hat gar nicht direkt zu ihm gesagt, was er sich wünscht. Nämlich, ihn mit eigenen Augen zu sehen. Mit eigenen Fingern seine Narben zu spüren. 
Jesus gewährt ihm diesen Wunsch, und zwar ohne, dass Thomas seine Zweifel vor ihm aussprechen muss. Jesus kennt sein Herz. Die Anfechtung. Das nicht Glauben-Können.
 
Thomas selbst beschließt nicht einfach: Ich hör jetzt auf mit den Zweifeln. 
Sondern es ist Jesus Christus, der die Zweifel von Thomas überwindet. Er nimmt sich ihrer an. Er nimmt sich Thomas an. Er gibt ihm das, was er braucht. 
Und interessanterweise wird gar nicht mehr davon berichtet, dass Thomas Jesus wirklich anfasst. Vielleicht braucht er das auch gar nicht mehr. Weil er gesehen ist. Vom lebendigen Gott. Mit seinen Zweifeln und seiner Hoffnung. Gesehen, wie er ist. Angenommen. Geliebt.
 
V.
Zweifel gehören dazu. Zum Leben, zum Glauben. Es gibt sie im Kleinen und Großen. Manchmal dauern sie nur wenige Momente, manchmal dehnen sie sich unendlich.
 
Es gibt sie auch im Pfarramt: Zu wenig Zeit für andere, manch Notfallseelsorge-Einsatz. Ja, es gibt sie, die Zeiten, wo man auch als Pastorin erstmal schlucken muss. 
Manchmal fehlen die richtigen Worte für eine Predigt. Manchmal ist auch der Pfarrberuf Arbeit, nicht nur Berufung. 
In meinem Ringbuch vorne ist eine Hülle drin. Darin sind verschiedene Bibelverse. Ich tausche sie aus je nach Gefühlslage und Anlass. Und einer ist eben der, der auf der Einladung steht und vorne auf dem Liederzettel: 
„Was Gott aus Gnade geschenkt hat, das nimmt er nicht zurück. Und wen er einmal berufen hat, der bleibt es.“ (Römer 11,29)
 
Daran glaube ich.
Ich glaube, dass Gott an uns festhält. Mit all unseren Zweifeln und Fehlern und Anfechtungen. Mit all dem, was wir nicht Glauben-Können oder Wollen. 
Mit dem, was schief geht oder schief gegangen ist.
 
Ich glaube, dass Gott an uns festhält, wenn wir Türen knallen oder sie doppelt abschließen und die Welt aussperren.
Wenn wir in Tränen aufgelöst sind.
Wenn unsere Welt zu Ende gegangen scheint.
Ich glaube, dass wir von ihm gesehen sind. Angenommen und geliebt. 
Selbst dann, wir unser Leben ohne ihn leben.
 
Ich glaube, dass Jesus Christus uns einlädt zum Fest des Glaubens. Dass Er uns jeden Morgen neu ruft.
Egal, ob wir gespannt sind oder skeptisch. Uns zögernd rufen lassen oder gerne.
Ich glaube, dass bei ihm alle willkommen sind:
Die Kranken, die Kinder, die Alten. 
Ich glaube, dass wir willkommen sind.
Wenn wir hungern nach Liebe, nach Sinn, nach Frieden, nach Gott selbst.
 
VI.
Und wenn wir uns rufen lassen – wer weiß, was dann geschieht. 
Wenn wir uns einlassen auf das Abenteuer Glauben. Immer wieder. Auf den Herrn der Welt.
 
Vielleicht werden wir dann selbst zu Boten. 
Beten mit unseren Kindern oder Enkeln. Segnen unsere Eltern oder Großeltern.
Erzählen anderen von dem, was uns trägt. 
Von unserem Glauben.
Von unserem Herrn und Gott. 
Der uns aushält, begleitet und segnet.
Amen.
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